Nennen Sie es Wortmalerei...

Glücklich in der Luft

(25.09.2022)

Ich schob den Kinderwagen mit dem kleinen Jungen
Du schlendertest nebenher.

Ich war glücklich in der Luft.
Und das Kind schlief

Du sagtest: „komisch“
Ich sagte: “was ?“

Der kleine Junge schlief, ich nannte ihn „ Schneckeli “
Du sagtest: “wirklich, sehr komisch“

Ich war glücklich in der Luft.
Ich sagte: „was?“

Du schlendertest nebenher
Ich schob den Kinderwagen mit dem kleinen Jungen,
den ich „ Schneckeli “ nannte.

Ich war glücklich in der Luft
Ich sagte: “was?….was?“

Du sagtest: „ dass ich Dich überhaupt nicht mehr lieben kann “

Ich nahm die Luft aus meinem Atem

Du sagtest: „überhaupt nicht mehr,
nicht ein kleines Bisschen, wie kann das sein?“

Ich sagte: „ich bin glücklich in der Luft“ und:
„ ich weiß es nicht…..! “

Alles war nun Luft.
Das Schneckeli aber, war glücklich in der Luft

Finde ich Rinnsteine

(24.09.2022)

Finde ich Rinnsteine,
die den Staub vom verschwundenen Tag

grau in tiefen Rissen einlagern.
Sind eiserne, glänzende Abflussroste da

mitten auf der Straße im Asphalt
Sie sind beschriftet:

„Vorsicht, kommende Zeiten!“

Hofberg

In der Steigung am Hofberg,
kurz unterhalb des Tierparks, da, wo sich der Weg enger schlängelt, rechts,

findet sich das Kriegerdenkmal der Gefallenen.
So viele Namen, viele junge tote Menschen,

Namen, deren Klang ich von den Familien der Stadt kenne. Ich gehe hinzu.
Kein geräumter Weg um den Stein. Äste und Blätter noch vom vorletzten Jahr oder vom letzten Jahrhundert?

Und Schnecken.

Sie schieben sich ihren Weg frei. Es muss etwas dran sein am Sandstein. Sie schieben sich da ihre Zeit hoch.

Ein Wettlauf mit der Verwitterung. Wer wird gewinnen?

Was da nur dran sein kann, am Denkmal der Vergessenen, dass sie es mit der Zeit aufnehmen? Sie weiden den Algenbelag ab.

So viele, so viele, so viele…Schnecken.

Sie erzählen mir, dass ich die einzige bin, – der einzige Mensch, der seit tausend Jahren die Namen gelesen und einmal ausgesprochen hat,

dort im toten Dickicht des Friedens.

Nochmal Küssen – Lockdown – Haltestelle 2021

Gleich kommt der Bus. Du und ich
Haben wir uns die Ärmel umgelegt

Gegenseitig ein Kuss mit Gucken.
Gucken, ob uns jemand sieht. Mund auf Mund

Herz auf Herz. Kommt keine Polizei?
Nein!

Nochmal Küssen. Küssen ist verboten.
Niemand da, der seine Seele verkauft hat?

Niemand da im Kampfanzug!
Niemand gegen Liebe mit Knüppel und Pfefferspray.

Liebe ist auch verkauft, an einen Supermarkt.
Die lieben Lebensmittel!

Die küssen Lebensmittel? Kommt keine Polizei?
Nein!

Du und ich, nochmal Küssen.
Und die Ärmel noch einmal fester

Miteinander, umeinander wickeln und
Mit Kussknöpfen schließen.

Es kommt der Bus, kommt keine Polizei?
Nein!

Nochmal Küssen. Küssen ist verboten.
Dein Gesicht leuchtet sanft und gefüllt mit Abschied.

Vorbeifahrend durchs Fenster glüht es mich an.

Kommt keine Polizei?
Nein!

Nochmal Küssen in die Luft und Dir hinterher
Winken und in den Fahrtwind küssen.

Bist Du nun fort. Ich zähle die Knöpfe an meiner Jacke.
Nasse Tränenknöpfe.

Niemand da, der seine Seele verkauft hat.
Niemand da im Kampfanzug.

Niemand gegen Liebe mit Knüppel und Pfefferspray
Aber da, jemand der lacht. Hüpft und lacht.

Und guckt und guckt und lacht:„ hab` es gesehen!….
Habt Euch geküsst!“ Natürlich, es war

Das kleine Vögelchen auf dem Ast.
Oder war es der Mond am Himmel?

Minnegesang hört nie auf,
Solange Menschen lieben.

Kunst machen
(Mai 2020)

wir haben zusammen Kunst gemacht
Jung und Alt
und alt und jung

Wir haben uns belehrt
Alt zu Jung
und junges zu altem

Gesättigt von alter Erfahrung
machten wir junge Zukunft
fütterten wir uns
mit Freude mit Farbe und Streit
mit Hand und Blick und Versöhnung

füllten mit Lernen und Lehre
die Leere

wir haben zusammen Kunst gemacht….

Quitten am Baum

(11.10.2022)

Heute früh,-es ist schon lange Herbst, habe ich die gelben, dicken, saftigen, duftenden Quitten vom Baum geholt. Vorsichtig bin ich durchs Gras gegangen. Vorsichtig. Denn darunter wachsen noch immer die Kürbisse, die Kleinen von orangener Farbe. Sie sollen sich noch füllen können mit Frucht und Feuchte. Nachher willst Du kommen und den Rest der Quitten vom Baum pflücken. Ich habe jetzt schon Sorge, dass Du das Gras, mit allem darin, zertreten wirst.

Dieses unglaublich Kleine                                                                                                                              Dieses unglaublich Kleine, kaum

sichtbar für Wege suchende

Schritte, nicht spürbar für die

greifenden Sohlen der Tritte. Schutzlos

dem Frost hingegeben. Im

freien Flug des Vertrauens streckt

es sich nach oben. So,

wie es scheint, mit

jubelnder Kraft, entzieht

es sich jeglicher Mühe des

Wachsens. So, wie es scheint,

zwirbelt sich das

kleine Entzücken dem

Licht entgegen. Nicht

danach, wo das Dunkel es in

lange Nächte zu locken vermag.

Dieses unglaublich Kleine, kaum

sichtbar auch für den frühen

Morgen, der noch hart ist und

imstande, mit Kälte alles ab zu

frieren, bevor die Milde des

Goldlichts ihm die

Staffel freundlich abnimmt.

Dieses unglaublich Kleine, kaum

sichtbar auch für alles, was an

ihm vorbei wehen mag, auch

für den Sturm, der am Boden sich

zusammen tut, um dann

furchtbar aufzubrechen, später, wenn

ihm seine Zeit dafür Erlaubnis hergibt.

Dieses unglaublich Kleine weiß

das alles und streckt seine kindlichen

Sternenarme der mütterlichen

Welt begeistert entgegen.

Es scheint so, dass

es im freien Willen und mit

grünender Gewissheit

von seiner wahren

Größe Kenntnis hat.